In einem Interview mit einer jüdisch-amerikanischen Zeitung versucht Abu Marzouk, Mitglied der Hamas Führungsspitze, ein pragmatisches Bild der Hamas darzustellen, indem er die Bereitschaft der Hamas “vermarketet”, ein Waffenstillstandsabkommen mit Israe

Leitartikel der jüdisch-amerikanische Zeitung The Jewish Daily Forward mit dem Interview mit Moussa Abu Marzouk

Leitartikel der jüdisch-amerikanische Zeitung The Jewish Daily Forward mit dem Interview mit Moussa Abu Marzouk

Moussa Abu Marzouk und der amerikanische Journalist

Moussa Abu Marzouk und der amerikanische Journalist

Moussa Abu Marzouk während des Interviews

Moussa Abu Marzouk während des Interviews


Hintergrundinformationen

1.Am 3. und 4. April 2012 gewährte Moussa Abu Marzouk, Mitglied des Führungsspitze und des Politbüros der Hamas, einem Journalisten einer amerikanisch-jüdischen Wochenzeitung, The Jewisch Daily Forward[1] (i.F. Forward) ein erstmaliges, ausführliches Interview. Das Interview führte Larry Cohler-Esses, der stellvertretende Redaktionsleiter der Zeitung[2]. Der Forward hatte die Initiative für dieses Interview ergriffen, das sich sich über zwei Tage und insgesamt fünfeinhalb Stunden erstreckte. Abu Marzouk empfing den Journalisten in seiner im Stadtteil "Neues Kairo" gelegenen Privatresidenz am Rand von Kairo. Abu Marzouk zog Anfang 2012 in diesen Stadtteil und erklärte Kairo zu seinem festen Wohnsitz, nachdem die Hamasführung die Kommandantur in Damaskus aufgegeben hatte.

2.Das Gespräch zwischen Abu Marzouk und dem interviewenden Journalisten fand in englischer Sprache statt (Abu Marzouk verbrachte einige Zeit in den USA); die Atmosphäre war entspannt, zum Teil sehr informell, (sie gnossen ein gemeinsames Mittagessen von u.a.  Lachs und Nilbarsch; zu anderer Gelegenheit bestellten sie Pizza). Die Redaktion des Forward unterstrich, dem Journalisten seien im Vorfeld keine Beschränkungen im Bezug auf die zulässigen Fragen auferlegt worden. Eine sorgfältige  Betrachtung des Interviews erweckt tatsächlich den Eindruck, der interviewende Journalist habe Abu Marzouk harte Fragen gestellt, die ihn mehrmals "in die Enge drängten " und bei Cohler-Esses gewisse Fragezeichen aufkommen ließen. Diese brachten den Forward zu der Schlussfolgerung, die im Leitartikel vom 23. April ihren Ausdruck findet – "die Hamas muss sich ändern, bevor sie als Ansprechspartner für einen Frieden auftreten kann".

Moussa Abu Marzouk und der amerikanische Journalist (The Jewish Daily Forward)
Moussa Abu Marzouk und der amerikanische Journalist (The Jewish Daily Forward)

Die wichtigsten Punkte des Interviews

3.UnsererEinschätzung nach sollte das Interview aus der Sicht von Moussa Abu Marzouk dazu dienen, der amerikanischen öffentlichen Meinung das Bild einer pragmatischen und scheinbar gemäßigten Hamasbewegung darzustellen, (im Fahrwind der vorangegangenen Versuche hochrangiger Hamasvertreter, u. a. von Khaled Mashaal, die Hamas in der westlichen Welt "hoffähig" zu machen und sich von dem ihr anhaftenden Ruf als Terrororganisation zu befreien)[3]. Wir haben den Eindruck, dass aus der Sicht Abu Marzouks, diese Botschaft durch seine überraschende Bereitschaft,einer amerikanisch-jüdischen Zeitung ein solch ausführliches Interview zu gewähren, unterstrichen und verstärkt wird. Er nahm, ohne vorherige Bedingungen oder Forderungen angemeldet zu haben,  zu den zahlreichen und unterschiedlichen Themen Stellung,die der Interviewer ihm vorlegte. Dabei versuchte er, ein klare Unterscheidung zu treffen – auf der eine Seite die Einstellung der Hamas allen Juden gegenüber, das gilt auch für die Juden in den Vereinigten Staaten(gegen die er seinen Ausführungen nach nicht voreingenommen ist) und der Einstellungden in Israel lebenden Juden gegenüber, die getötet werden müssen (s.u.).

4.Wir haben den Eindruck, dass  Abu Marzouk wählte das Konzept der "Hudna" mit Israel als bevorzugten Anspruch, um seine Darstellung der Hamas als gemäßigte und pragmatische Organisation zu unterstreichen. Dieses Konzept wurde von der Hamas schon mehrere Male vorgestellt und bezieht sich auf eine von der Hamas vertretene Betrachtungsweise eines langfristigen Waffenstillstands (Hudna) mit Israel als Gegenstück für einen vollständigen Rückzug Israels auf die Grenzen von 1967. In seinem Gespräch mit dem Redakteur des Forward stellte Abu Marzouk dieses Konzept als eine mögliche und im Vergleich mit anderen sogar bevorzugte Option dar, u. a. auch im Vergleich mit einem Abkommen zwischen Israel und der palästinensischen Autonomiebehörde (das, wie Abu Marzouk ganz klar darstellte, die Hamas, sobald sie die Macht von der PA übernimmt, "links liegenlassen" wird) oder eine Forsetzung der gegenwärtig herrschenden Situation eines "andauernden Widerstands [d.h. Terroranschläge] gegen  die [sogenannte israelische[Besetzung".

5.Gleichzeitig unterstrich Abu Marzouk allerdings während des gesamten Interviews die grundlegenden und hartnäckigen Standpunkte der Hamas (was Cohler-Esses aufgriff und ihm entgegenhielt), die dem pragmatischen Image widersprachen, das er darzustellen versuchte. Abu Marzouk unterstrich, dass die Hamas sich ganz klar gegen eine Anerkennung Israels und eine Normalisierung der Beziehung mit Israel positioniert; sie der PA nie gestatten wird, ein Friedensabkommen auf der Grundlage einer Anerkennung Israels zu unterzeichnen; keine Abischt hegt, den Weg des "Widerstands" [d.h. des Terrors] aufzugeben; auf der Verwirklichung des sogenannten "Rückkehrrechts" der im Ausland lebenden  palästinensischen Flüchtlinge  besteht und auf der Durchführung eines Referendums, an dem sie teilnehmen könnten, als Vorbedingung für jedes Abkommen, das sowieso unter keine Umständen eine Anerkennung des Staates Israel enthalten wird. 

6.Khaled Mashaal, Leiter des Hamas Politbüros und andere leitende Hamassprecher haben wiederholt ähnliche Standpunkte vorgebracht.  Wenn man die rhetorischen Floskeln beiseite lässt, sagen sie ganz einfach, dass die Hamas sich weigert, die Bedingungen des internationalen Quartetts zu akzeptieren, die von der Hamas fordern, den Staat Israel anzuerkennen, die in der Vergangenheit unterzeichneten Abkommen zu ehren und den Weg des Terrors aufzugeben.

7.Eine weitere Schlussfolgerung, die aus diesem Interview gezogen werden kann, ist die, dass Mahmoud Abbas durch seine politischen Kontakte mit Israel die Hände gebunden sind. Was die Hamas anbetrifft, ist jedes Abkommen, das zwischen Israel und der palästinensischen Autonomiebehörde geschlossen wird, unvereinbar mit der Hamas Ideologie (im Bezug auf Themen wie die z. B. die Anerkennung des Staates Israel und das sogenannte "Rückkehrrecht") und wird abgeändert werden, wenn und falls die Hamas an die Macht kommt.

8.Cohler-Esses scheute nicht davor zurück, Abu Marzouk mit den antisemitischen Teile der (1988 veröffentlichten)Hamas Charta zu konfrontieren. Abu Marzouks Worte legten grundlegende Wahrheiten bloß, die er vielleicht nicht aufdecken wollte: als Cohler-Esses ihm eine hadith (Teil der mündlichen Überlieferung) aus der Charta zitierte, die zum Mord an den Juden aufruft, behauptete Abu Marzouk, dieser Abschnitt beziehe sich nicht auf alle Juden, sondern "nur auf die, die in Palästina leben" [d.h. die Hamas will nur israelische Juden töten]. Auf die Frage nach antisemitischen Teil in der Charta, die Teile aus den Protokollen der Weisen von Zion übernehmen, antwortete er, die Zionisten hätten die Protokolle selbst verfasst – später leugnete er es. Auf die Mitteilung, es handle sich um eine Fälschung, erschien Abu Marzouk "überrascht. Tatsächlich? Das höre ich zum ersten Mal, sagte er". (Hinweis: Es ist schwierig zu wissen, ob Abu Marzouks Antwort eine vorgetäuschte Unschuld widerspiegelt oder einfach eine für Palästnenser und viele Araber, die mit den Protokollen und ihren Mythen erzogen worden sind, typischeUnkenntnisder Tatsachen).

9.Es folgen die wichtigsten, in diesem Interview angesprochenen Themen, wie sie auf der Webseite des Jewish Daily Forward am 19. April 2012 erschienen (Hervorhebung IZNT)

[1] The Jewish Daily Forward: jüdisch-amerikanische Wochenzeitung mit geringer Auflage, erscheint in New York in englischer  und yiddisher Sprache. Seine politische Ausrichtung tendiert nach links.

[2] Stellvertretender Reaktionsleiter der Zeitung.

[3] Für weitere Angaben über vorhergegangene Versuche von Hamas Vertretern, die Organisation der westlichen Welt als pragmatisch vorzustellen, siehe das Bulletin vom 15. Mai 2011 "Statements made bz senior Hamas figures since the internal Palestinian reconilliation agreement attempt to present a moderate image while restating Hamas´ refusal to recongize israel or accept the International Quartet´s conditions, continuing the "resistance" (i.e. terrorism) and drawing Fatah back into the cycle of violence" at http://www.terrorism-info.org.il-malam_multimedia/English/eng_n/pdf/hamas_e144.pdf; und das Bulletin vom 23. September 2009 "Hamas´ smile attack for the West: Ken Livingstone Interviews Khaled Mashaal, a case study" at http:// www.terrorism/info.org.il.malam_multimedia/English/eng_n/pdf/hamas_e083.pdf