Eskalationsrunde in Südisrael, in deren Verlauf es zum Raketenbeschuss durch den Palästinensischen Islamischen Jihad aus dem Gazastreifen kam, dem massivsten Beschuss seit der Operation „Wolkensäule“.

Raketenwerfer des Palästinensischen Islamischen Jihad (Website des militärischen Arms der Organisation)

Raketenwerfer des Palästinensischen Islamischen Jihad (Website des militärischen Arms der Organisation)

Raketenhülse nach Raketeneinschlag in Südisrael (NRG, Foto: Adi Israel, 12. März 2014)

Raketenhülse nach Raketeneinschlag in Südisrael (NRG, Foto: Adi Israel, 12. März 2014)

Lagebesprechung des israelischen Militärs (Isr. Militärsprecher, 12. März 2014)

Lagebesprechung des israelischen Militärs (Isr. Militärsprecher, 12. März 2014)


Das Wichtigste in Kürze

1.    Zwischen dem 11. und 13. März eskalierte der Beschuss südisraelischer Gebiete aus dem Gazastreifen erneut. Die schlimmste Eskalation seit der Operation “Wolkensäule”wurde durch den Granatenbeschuss einer israelischen Grenzpatrouille nahe am Grenzzaun durch eine kleine Einheit des Palästinensischen Islamischen Jihad ausgelöst. Bei dem darauffolgenden Angriff der israelischen Luftwaffe kamen drei beteiligte islamische Aktivisten ums Leben. Deren Tötung führte wiederum zu massivem Raketenbeschuss israelischer Gebiete durch den Palästinensischen Islamischen Jihad. Insgesamt schlugen auf israelischem Gebiet (vor allem im westlichen Negev) über achtzig Raketen und Mörsergranaten ein, mehr alsalle Einschläge seit der Operation “Wolkensäule” zusammengenommen (zwischen der Operation vom November 2012 bis zur jüngsten Eskalationsrunde schlugen auf israelischem Territorium 63 Raketen ein).

2.    Die Eskalationsrunde ging mit einer Einigung über eine erneute Waffenruhe zu Ende, die auf direktem Verhandlungskanal zwischen dem Palästinensischen Islamischen Jihad und Ägypten zustandekam. Dem Chef des Palästinensischen Islamischen Jihad, Ramadan Shallah, zufolge, hätten die Ägypter das Gespräch mit dem Jihad gesucht, und dieser habe die ägyptische Initiative positivaufgenommen, um zu vermeiden, dass die Ereignisse außer Kontrolle geraten. Von Seiten der Hamas wurde der Umstand kritisiert, dass die Vereinbarung unter “ungerechtfertigter Umgehung” der Hamas erzielt worden sei (Al-Jazeera, 14. März 2014).

3.    Die jüngste Eskalationsrunde veranschaulicht die Bedeutung des PIJ, der zweitgrößten palästinensischen Terrororganisation im Gazastreifen. Der PIJ wird vom Iran unterstützt und trägt keine Regierungsverantwortung, die ihren Handlungsspielraum einengt, wie das bei der Hamas der Fall ist. Der massive Raketenbeschuss zeigt, dass der Palästinensische Islamische Jihad mitunter versucht, Israel und die Hamas herauszufordern, indem er die politische Schwäche der Hamas nach dem Fall von Mohamed Mursi ausnützt. Das rasche Ende der Kampfhandlungen, die Verhandlungen der Organisation mit Ägypten über die Erneuerung der Waffenruhe und die Tatsache, dass die meisten Raketen auf den westlichen Negev und nicht auf weiter entfernte Gebiete in Israel abgefeuert wurden, zeigen unserer Erachtens jedoch, dass die Organisation zum jetzigen Zeitpunkt nicht an einer Eskalation der Gewalt interessiert ist (trotz martialischer Rhetorik), sondern nur versucht, die „Spielregeln“ des Konflikts mit Israel zu seinen Gunsten zu verändern, ohne dass die Ereignisse außer Kontrolle geraten.

 

Die Abfolge der Ereignisse

4.    Am 11. März 2014 beschoss eine kleine Gruppe des Palästinensischen Islamischen Jihad eine israelische Militärpatrouille, die miteinem Routineeinsatz in der Nähe des Grenzzauns zwischen Israel und dem südlichen Gazastreifen beschäftigt war, mit Mörsergranaten. Nach dem Angriff wurde die Terroreinheit, die dem Palästinensischen Islamischen Jihad angehört, von Flugzeugen der israelischen Luftwaffe beschossen. Dabei kamen palästinensischen Medienberichtenzufolge drei Aktivisten des Palästinensischen Islamischen Jihad in der Nähe des Grenzübergangs Sufa (östlich von Rafah) ums Leben. Der militärische Arm des PIJ bestätigte den Tod seiner Leute. Sie seien im Verlaufe eines „Einfalls“ im Bereich Chan Junis getötet worden, hieß es. Nach Angaben des Jihad war es den drei Kämpfern noch gelungen, Mörsergranaten auf eine israelische Militärpatrouille abzufeuern (Alresala.net, 11. März 2014).

5.    Nach dem Tod seiner drei Aktivisten begann der Palästinensische Islamische Jihad, Israel mit Raketen zu beschießen:

a)  12. März 2014 – Massiver Beschuss mit Raketen und Mörsergranaten simultan entlang der Grenzlinie zum Gazastreifen von Norden bis Süden, überwiegend des westlichen Negev. Auf israelischem Gebiet wurden über 60 Einschläge von Raketen und Mörsergranatenverzeichnet(Israelischer Militärsprecher, 12. März 2014).

b)  13. März 2014–Nach einigen ruhigen Stunden setzte der Raketenbeschuss amMorgen wieder ein. Insgesamt wurden über 15 Raketen aus dem Gazastreifen auf Ortschaften im westlichen Negev abgefeuert. Im Verlaufe des Morgens kamen zudem auch Aschdod und Aschkelon unter Beschuss (ynet, 13. März 2014).

c)  Am 14. März 2014 wurden die Einschläge von zwei Raketen in unbebautem Gelände auf dem Gebiet des Eshkol Regional Council registriert.

6.    Die Beschießung erfolgte überwiegend durch den Palästinensischen Islamischen Jihad, doch auch andere Organisationen übernahmen Verantwortung für den Raketenbeschuss (die Volksfront für die Befreiung Palästinas, die Demokratische Front u.a.). Am 13. März 2014 gab der Palästinensische Islamische Jihad bekannt, dass mit ägyptischer Vermittlung eine Waffenruhe mit Israel vereinbart worden sei. Ägypten bestätigte die Vereinbarung. Nach der Verlautbarung ging der Raketenbeschuss sporadisch weiter, bis er schließlich ganz aufhörte.

Raketenstellung und Raketenabschuss (Website des Palästinensischen Islamischen Jihad)
Raketenstellung und Raketenabschuss (Website des Palästinensischen Islamischen Jihad)

Übernahme der Verantwortung

7.    Die Al-Kuds-Brigaden, der militärische Arm der PIJ, übernahm die Verantwortung für das Raketenfeuer im Rahmen der Operation „Bruch des Schweigens“ (d.h. das „Ende der Zurückhaltung/Selbstbeschränkung“). Führenden Vertretern des militärischen Arms der Organisation zufolge wurde Israel vom Beschuss und dessen Ausmaß überrascht (paltoday.ps, 14. März 2014). Sie drohten mit weiterer Eskalation und betonten, sie seien in der Lage, den Beschuss weiterzuführen. Der militärische Arm nutzte die Ereignisse zur Verherrlichung der eigenen Leistungen und stellte Waffen zur Schau, darunter ein Waffensystem, das als unterirdischer Mehrfachraketenwerfer beschrieben wurde.

8.    Der Sprecher des militärischen Arms der Organisation, Abu Achmed, betonte, die Raketen seien auf Gebiete nahe am Gazastreifen abgeschossen worden und drohte gleichzeitig, dass wenn Israel eine weitere Eskalation wage, würden die Al-Kuds-Brigaden in einer Weise reagieren, die „Israel überraschen werde. Er sagte, die Kuds-Brigaden verfügten über einen umfassenden Plan, ihre Reaktionen im Rahmen eines zukünftigen Eskalationsszenarios auszuweiten. Die Reaktionsei vollumfänglich mit den anderen Organisationen im Gazastreifen abgestimmt. Es gebe eine Koordination zwischen der Organisation und dem militärischen Arm der Hamas auf ständiger Basis (Alresala.net, 12. März 2014). Die Medien, die sich mit dem PIJ identifizieren, priesen den Beschuss israelischer Gebiete mit Raketen und Mörsergranaten. Es sei gelungen, Millionen von Israelis in die Luftschutzkeller zu schicken.

9.    Zusätzlich übernahmen weitere Organisationen Verantwortung für den Beschuss, darunter die Volksfront für die Befreiung Palästinas, die Demokratische Front für die Befreiung Palästinas und das Netzwerk des Fatah-Märtyrers Amin Joda. Welchen Anteil diese Organisationen am Beschuss hatten, bleibt unklar. Sicher ist nur, dass der Palästinensische Islamische Jihad die Hauptrolle bei der jüngsten Eskalationsrunde spielte.

Israels Reaktion

10.  Als Reaktion auf den Beschuss mit Raketen und Mörsergranaten griff die israelische Luftwaffe in den Abendstunden des 12. März 2014 29 Terrorziele im Gazastreifen an (Israelischer Militärsprecher, 12. März 2014). Als der Beschuss anhielt, griff die israelische Luftwaffe in der Nacht vom 13. auf den 14. März 2014 sieben weitere Terrorziele an, drei im nördlichen Teil des Gazastreifens und vier im Süden. Zudem nahmen Panzer der israelischen Armee am frühen Morgen des 12. März zwei Terrorziele im südlichen und im nördlichen Gazastreifen unter Feuer. Am Mittag des 13. März 2014 flog die israelischen Luftwaffe Angriffe auf weitere Terrorziele. Die palästinensischen Medien berichteten von Angriffen auf eine Stellung der Komitees für den Volkswiderstand und eine Stellung des militärischen Arms der Hamas. Dabei sei niemand zu Schaden gekommen.

Angriff auf Raketentruppe (Israelischer Militärsprecher, 13. März 2014) [Einfügungen: links: Abschuss; rechts: Eingrabung eines Raketenwerfers]
Angriff auf Raketentruppe (Israelischer Militärsprecher, 13. März 2014) [Einfügungen: links: Abschuss; rechts: Eingrabung eines Raketenwerfers]

11.  Aufgrund des anhaltenden Raketenbeschusses trafen sich der Generalstabchef der israelischen Armee und der israelische Verteidigungsminister zu einer Lagebesprechung. Der Verteidigungsminister erklärte, Israel werde den Raketenbeschuss nicht tatenlos hinnehmen und es nicht zulassen, dass der Palästinensische Islamische Jihad oder jede andere Organisation im Gazastreifen, das Leben israelischer Bürger stören. Wenn es in Südisrael nicht ruhig sei, werde auch im Gazastreifen keine Ruhe herrschen, sagte er und fügte hinzu, dass die Hamas die Verantwortung für die Ereignisse im Gazastreifen trage und es an ihr liege, dort für Ruhe zu sorgen, andernfalls werde auch sie einen hohen Preis bezahlen.

12.  Aufgrund des massiven Beschusses ordnete der israelische Verteidigungsminister die Schließung des Grenzübergangs Kerem Schalom an und schränkte den Betrieb des Grenzübergangs Erez ein. Die Rückkehr zum normalen Betrieb der Grenzübergänge zum Gazastreifen werde gestützt auf eine Neueinschätzung der Lage und auf Sicherheitserwägungen erfolgen. Der Übergang Kerem Shalom wurde am 16. März 2014 für Treibstofflieferungen wieder geöffnet, um die Energiekrise im Gazastreifen zu lindern (ynet, 15. März 2014).

Waffenruhe durch ägyptische Vermittlung

13.  Am 13. März 2014 gab der Palästinensische Islamische Jihad eine Waffenstillstandsvereinbarung mit Israel bekannt. Ägypten bestätigte die Vereinbarung. Der Generalsekretär des PIJ, Ramadan Abdallah Shallah, sagte, seine Organisation sei von ägyptischer Seite kontaktiert worden und habe den ägyptischen Aufruf, die Situation nicht außer Kontrolle geraten zu lassen, positiv beantwortet (Al-Jazeera, 14. März 2014).

14.  Der Sprecher des Palästinensischen Islamischen Jihad, Abu Achmed, sagte, seine Organisation werde die Waffenruhe einhalten, solange sich Israel daran halte. Die Aktivisten der Organisation hätten die Stellungen nicht verlassen und seien bereit, umgehend auf jede „israelische Aggression“ zu reagieren, erklärte Abu Achmed und fügte hinzu, die derzeitige Operation zeichne sich dadurch aus, dass es Israel im Gegensatz zu früheren Operationen nicht gelungen sei, die Aktivisten der Organisation oder die Raketenwerfer zu treffen (Sawt al-Quds, 13. März 2014).

15.  Die Hamas kritisierte den Umstand, dass die Waffenruhe durch direkte Kontakte zwischen dem Palästinensischen Islamischen Jihad und Ägypten zustandegekommen sei. Der Vizeaußenminister der Hamas-Regierung, Ghazi Hamed,sagte, die Ägypter hätten die Führung des PIJ unter „ungerechtfertigter Umgehung“ der Hamas direkt kontaktiert, und äußerte die Hoffnung, dass die Koordination in Zukunft durch den „korrekten Kanal“ erreicht werde, damit die Einheit in den eigenen Reihen gewahrt bleibe und um ein Signal der Einheit auszusenden (Al-Jazeera, 14. März 2014).

Weitere Reaktionen auf den Raketenbeschuss
Der Palästinensische Islamische Jihad

16.  Der Palästinensische Islamische Jihad nutzte die jüngste Eskalation für Propagandazwecke, indem er die Ereignisse als „Erfolg“ und „Sieg“ für die Organisation bezeichnete. In einem Artikel mit der Überschrift „Bruch des Schweigens…Sicherheitserfolg und militärischer Sieg“ behauptete die Organisation, sie habe eine erfolgreiche „Desinformationskampagne“ betrieben und den israelischen Nachrichtendienst überrascht, indem ihre Artillerieeinheiten an verschiedenen Orten im Gazastreifen den gleichzeitigen Abschuss von Raketen koordiniert hätten. Zudem wurde die „korrekte Leitung“ des Raketenfeuers betont. Die Kräfte hätten Disziplin im Hinblick auf die Beschränkung der Schussreichweite gezeigt (Filastin al-Yawm, 16. März 2014).

Hamas

17.  Die Hamas äußerte sich nur spärlich zu den Ereignissen. Der Hamas-Regierungssprecher,Ihab al-Ghussin, gab Israel die Schuld für die Eskalation und deren Folgen und betonte das Recht auf „Widerstand“ und „Selbstverteidigung“. Ismail Haniyas Presseberater, Taher al-Nunu, betonte, die Organisationen im Gazastreifen hielten am Waffenstillstandsabkommen fest, der im palästinensischen Interesse sei, doch Israel habe darauf beharrt, ihn zu verletzen und „Verbrechen“ gegen die Palästinenser zu begehen.

Die Palästinensische Autonomiebehörde

18.  Der Sprecher des Palästinensischen Präsidialamtes, Nabil Abu Rudeina, sagte, Mahmud Abbas fordere Israel auf, die militärische Eskalation gegen den Gazastreifen, der sich im Belagerungszustand befinde, zu beenden. Die Eskalation bringe den Einwohnern des Gazastreifens Isolation und Katastrophe, Krieg und Zerstörung (Ma’an News Agency, 13. März 2014).