Seit dem Beginn des Angriffs auf Mosul zeigt sich der IS hoch motiviert, weltweit Anschläge auszuführen. Doch trotz einigen „Erfolgen“, ist es ihm bislang nicht gelungen, die Aufmerksamkeit seines Publikums durch eine solche Reihe von Anschlägen von den z


Aufruf des IS an seine Anhänger weltweit, Messerstechattacken auszuführen  (Titelseite der 2. Ausgabe der IS-Publikation „Rumiyah“, 4. Oktober 2016)
Aufruf des IS an seine Anhänger weltweit, Messerstechattacken auszuführen  (Titelseite der 2. Ausgabe der IS-Publikation „Rumiyah“, 4. Oktober 2016)

Allgemeines

1. In den beiden Monaten seit Beginn der Offensive gegen Mosul bemüht sich der IS offensichtlich nach Kräften, weltweit Terroranschläge auszuführen, besonders in westlichen Staaten und auch in anderen Staaten, die am Kampf gegen ihn beteiligt sind. In diesem Rahmen hat der IS eine Medienkampagne lanciert, in der seine Anhänger mehrfach aufgerufen werden, an ihren Wohnorten Anschläge auszuführen, um den IS im Kampf gegen seine Feinde zu unterstützen („IS-inspirierte Anschläge“). Gleichzeitig betreibt der IS ein Netzwerk ausgebildeter Aktivisten, die den Auftrag haben, große Anschläge an Orten mit großen Menschenansammlungen auszuführen. Zu den schwersten Anschlägen, für die der IS bislang die Verantwortung übernahm, gehörte ein Anschlag auf eine koptische Kirche in Kairo und auf eine lokale Polizeiwache in Diyarbakir in der Osttürkei. Zudem verübten IS-Anhänger in Kenia, in den USA und möglicherweise auch in Deutschland so genannte inspirierte Anschläge. Demgegenüber gelang es den jeweiligen lokalen Sicherheitsdiensten in Frankreich, Russland, Albanien und Saudi Arabien dort geplante Anschläge zu vereiteln.

 

2. Die hohe Motivation des IS, Anschläge außerhalb seines unmittelbaren Machtbereiches auszuführen, ist in erster Linie auf seine schwierige Lage in Syrien und im Irak zurückzuführen. Angesichts des hohen Drucks, dem er ausgesetzt ist, möchte er beweisen, dass er seine operativen Fähigkeiten nicht eingebüßt hat und nach wie vor in der Lage ist, Anschläge durchzuführen, die für die ihn bekämpfenden Staaten schmerzhaft sind, die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Terrorschauplätze in diesen Staaten lenkt und sie davon abhalten könnte, ihre Aktivitäten gegen den IS fortzusetzen. Um die Motivation seiner Anhänger zu erhöhen, betont der IS in seiner Medienkampagne, das „Islamische Kalifat“ gehöre der gesamten islamischen Welt, auch den Muslimen, die nicht im Kalifat leben und es verteidigen. Deshalb wird die Ausführung von Anschlägen in Ländern außerhalb des Kalifats als wichtiger Beitrag zur militärischen Anstrengung des IS dargestellt und die IS-Anhänger dazu aufgerufen, solche Taten als gleichwertig zum Kampf in Syrien oder im Irak anzusehen.

3. Um ein möglichst großes Publikum anzusprechen, hat die Propagandaabteilung des IS eine Reihe von Videoclips und Artikel herausgegeben, die in seinen Magazinen veröffentlicht wurden (siehe Anlage A). Darin fordert der IS seine Anhänger weltweit auf, sich dem militärischen Kampf anzuschliessen, indem er die Kämpfe in Syrien und im Irak als Teil eines übergeordneten Kampfes gegen den Westen (die „Kreuzfahrer“) darstellt. Einige Clips und Artikel sind in mehreren Sprachen erschienen (unter anderem auf Englisch, Französich und Türkisch), angepasst an das jeweilige Zielpublikum. Dabei begnügt sich der IS aber nicht mit allgemeinen Aufrufen, sondern veröffentlicht detaillierte Handlungsanweisungen für Messerangriffe, Überfahranschläge sowie für den Bombenbau zu Hause aus leicht erhältlichen Materialien (siehe Anlage B). Einige Clips zeigen Aktivisten, die frühere Anschläge begangen haben, verbunden mit dem Aufruf, es ihnen gleichzutun.

Links: IS-Clip, der den Abschuss einer Pistolenkugel in Zeitlupe zeigt, verbunden mit dem Aufruf an die Muslime im Vereinigten Königreich: Warum zögert ihr, Eurer Religion zu helfen?“; rechts: Amedy Coulibaly, der Terrorist, der einen Anschlag auf einen jüdischen Supermarkt in Paris verübte, wird im selben Clip als Vorbild gefeiert (Haq, 27. November 2016)
Links: IS-Clip, der den Abschuss einer Pistolenkugel in Zeitlupe zeigt, verbunden mit dem Aufruf an die Muslime im Vereinigten Königreich: Warum zögert ihr, Eurer Religion zu helfen?“; rechts: Amedy Coulibaly, der Terrorist, der einen Anschlag auf einen jüdischen Supermarkt in Paris verübte, wird im selben Clip als Vorbild gefeiert (Haq, 27. November 2016)

4. Eine nähere Betrachtung der ausgeführten und vereitelten Terroranschläge außerhalb des “Kalifats” in den letzten Monaten deutet darauf hin, dass es dem IS bislang nicht gelungen ist, eine dichte Abfolge „inspirierter Anschläge“ zu erzeugen, trotz wiederholter Appelle an seine Anhänger. Auch die meisten Anschläge gegen größere Menschenansammlungen durch gut ausgebildete Aktivisten konnten bislang vereitelt werden (unter anderem wurden solche Anschlagsversuche in Saudi-Arabien und in Albanien vereitelt. Ein Anschlag dieser Art war für ein Fußballländerspiel zwischen Albanien und Israel geplant). Der bisher „erfolgreichste“ Anschlag des IS richtete sich gegen eine koptische Kirche in Kairo durch einen Selbstmordattentäter, der mindestens 25 Menschen in den Tod riss und ein großes Medienecho auslöste (siehe Details zu den ausgeführten und vereitelten Anschlägen der letzten Monate in Anlage C).

5. Die Schwierigkeiten, mit denen der IS konfrontiert ist, veranschaulichen die Kluft zwischen der hohen Motivation des IS Terroranschläge in dichter Abfolge durchzuführen, und der Fähigkeit seiner Aktivisten bzw. dem Willen seiner Anhänger, den Worten Taten folgen zu lassen. Das ist unseres Erachtens sehr wahrscheinlich auf die deutliche Abnahme der operationellen Fähigkeiten des IS aufgrund des auf ihn ausgeübten Drucks zurückzuführen (unter anderem durch die Tötung von Schlüsselfiguren seines internationalen Terrornetzes und die deutlich verbesserte Überwachung der türkisch-syrischen Grenze). Zudem scheint die Antiterror- und Geheimdiensttätigkeit der an der Bekämpfung des IS beteiligten Staaten inzwischen besser zu greifen. Das kommt unter anderem in der Vereitlung von Anschlägen in westeuropäischen Staaten, Russland und Balkanstaaten zum Ausdruck. Der kürzlich erfolgte Aufruf der „Provinz Euphrat“ des IS an die Muslime des Vereinigten Königreichs unter dem Motto: „Weshalb zögert ihr, Eurer Religion zu helfen?“ könnte auf Nervosität und möglicherweise auch auf eine gewisse Ernüchterung der IS-Führung angesichts des Umstandes, dass seine Aufrufe an die Anhänger, Terroranschläge auszuführen, besonders in westlichen Ländern auf wenig Widerhall zu stoßen scheinen.

6. Wir gehen davon aus, dass der IS seine Terroranstrengungen außerhalb des „Kalifats“ gestützt auf seine Anhänger(„inspirierte Anschläge“) und auf sein Terrornetzwerk fortsetzen wird. Einige Mitglieder dieser Zellen wurden bereits mit einem Terrorauftrag aus Syrien losgeschickt, andere werden ihnen folgen. Weitere IS-Aktivisten sind aus Syrien und dem Irak mit Kampferfahrung in ihre Heimatländer zurückgekehrt.[1] Je mehr der IS in Syrien und im Irak unter Druck gerät, desto stärker könnte er motiviert sein, Terroranschläge in anderen Staaten auszuführen. Das vorhandene Netzwerk der IS-Aktivisten und -anhänger in westlichen und anderen Staaten weltweit ermöglicht die Ausführung von „inspirierten Anschlägen“ und großangelegten Terroranschlägen mit vielen Opfern, wenn auch nicht in dem Umfang und der Häufigkeit, die sich der IS wünschen würde. Weihnachten und Neujahr könnten als bevorzugte Daten für Anschläge dienen, aufgrund der zahlreichen Massenveranstaltungen bzw. Menschenansammlungen und dem starken Medienecho, die solche Anschläge erzeugen würden (Medienberichten zufolge äußerten Sicherheitsorgane in Europa Besorgnis über die Möglichkeit solcher Angriffe an den Festtagen und ergriffen entsprechende vorbeugende Maßnahmen).

 

Anlagen

7.Anbei drei Anlagen:

a)    Beispiele für Aufrufe des IS zu Terroranschlägen an seine Anhänger weltweit;

b)    Konkrete Handlungsanleitungen des IS an seine Anhänger weltweit zur Ausführung von Terroranschlägen;

c)    Beispiele für ausgeführte und vereitelte Anschläge weltweit in den letzten    beiden Monaten.

[1]Laut Dick Schoof, dem nationalen Sicherheits- und Antiterror-Koordinator der Niederlande, gehen Geheimdienstexperten davon aus, dass der IS derzeit ein Terrornetzwerk von zwischen 60 bis 80 Aktivisten in Europa unterhält, die den Auftrag haben, Anschläge auszuführen. Der IS habe seine Aktivisten aufgefordert, ihre Aktivitäten auf Europa zu konzentrieren und nicht nach Syrien oder in den Irak zu reisen, sondern Anschläge in Europa vorzubereiten. In den Niederlanden sei es bislang nicht zu Anschlägen wie in Frankreich oder Belgien gekommen, doch sei die Möglichkeit solcher Anschläge auch auf niederländischem Territorium nicht auszuschließen, sagte Schoof (Fox News, 19. November 2016).