Der Weltdschihad im Blickpunkt (21. April – 4. Mai 2016)

Der Weltdschihad im Blickpunkt

Der Weltdschihad im Blickpunkt

der von der syrischen Armee beschlagnahmte Lastwagen (Sana, 28. April 2016)

der von der syrischen Armee beschlagnahmte Lastwagen (Sana, 28. April 2016)

Die Ammoniumnitratsäcke, die der beschlagnahmte Lastwagen geladen hatte

Die Ammoniumnitratsäcke, die der beschlagnahmte Lastwagen geladen hatte

Das Dorf Doudyan, eines der nahe der türkischen Grenze gelegenen Dörfer, die der IS unter seine Kontrolle brachte (Aamaq, 27. April 2016)

Das Dorf Doudyan, eines der nahe der türkischen Grenze gelegenen Dörfer, die der IS unter seine Kontrolle brachte (Aamaq, 27. April 2016)

Das Dorf Doudyan, eines der nahe der türkischen Grenze gelegenen Dörfer, die der IS unter seine Kontrolle brachte (Aamaq, 27. April 2016)

Das Dorf Doudyan, eines der nahe der türkischen Grenze gelegenen Dörfer, die der IS unter seine Kontrolle brachte (Aamaq, 27. April 2016)

Die zwei Selbstmordattentäter, die den Anschlag in der Stadt Samawa verübten: links: Abu Diyar al-Qurashi; rechts: Abu al-Zubair al-Zaydi (Akhbar Dawlat Al-Islam, 1. Mai 2016)

Die zwei Selbstmordattentäter, die den Anschlag in der Stadt Samawa verübten: links: Abu Diyar al-Qurashi; rechts: Abu al-Zubair al-Zaydi (Akhbar Dawlat Al-Islam, 1. Mai 2016)

Raketenfeuer des IS auf irakische Armeestützpunkte entlang der Verbindungsstraße zwischen Haditha und Baiji

Raketenfeuer des IS auf irakische Armeestützpunkte entlang der Verbindungsstraße zwischen Haditha und Baiji

Einwohner von Derna feiern den Rückzug des IS aus der Region Derna und der sie kontrollierenden Anhöhen (Twitter-Konto @alzoberalzober, 20. April 2016)

Einwohner von Derna feiern den Rückzug des IS aus der Region Derna und der sie kontrollierenden Anhöhen (Twitter-Konto @alzoberalzober, 20. April 2016)

Einwohner von Derna feiern den Rückzug des IS aus der Region Derna und der sie kontrollierenden Anhöhen (Twitter-Konto @alzoberalzober, 20. April 2016)

Einwohner von Derna feiern den Rückzug des IS aus der Region Derna und der sie kontrollierenden Anhöhen (Twitter-Konto @alzoberalzober, 20. April 2016)

Archivbild von Abu Ali Al-Anbari )roter Kreis) (Al-Bawaba, 1. Mai 2016)

Archivbild von Abu Ali Al-Anbari )roter Kreis) (Al-Bawaba, 1. Mai 2016)

Fotomontage im IS-Videoclip: Das Kolosseum am Rande der nahöstlichen Wüste  (Akhbar Dawlat Al-Islam, 30. April 2016)

Fotomontage im IS-Videoclip: Das Kolosseum am Rande der nahöstlichen Wüste (Akhbar Dawlat Al-Islam, 30. April 2016)


Die Ereignisse der Woche im Überblick

  • Syrien: In den vergangenen zwei Wochen eskalierten die Kämpfe in der Stadt Aleppo und im ländlichen Raum nördlich der Stadt. Syrische und russische Kampfflugzeuge griffen Ziele in den von Rebellenorganisationen (unter anderem von der Al-Nusra-Front) kontrollierten Stadtteilen an, während Letzere vom Regime gehaltene Viertel mit Raketen und Mörsergranaten beschossen. Dabei wurden Hunderte Zivilisten getötet und zivile Infrastrukturanlagen, inklusive Krankenhäuser, getroffen. Die USA und Russland versuchen, die Eskalation mit politischen Mitteln zu stoppen, die Waffenruhe zu erneuern und damit die Wiederaufnahme der Syriengespräche in Genf zu ermöglichen.
  • Irak: Der IS verstärkte seine Terroraktivitäten in Bagdad durch den Einsatz von Selbstmordattentätern. Die Anschläge richteten sich vor allem gegen die schiitische Bevölkerung und gegen Ziele, die mit der Staatsmacht in Verbindung gebracht werden. Um dem Terror gegen die Schiiten mehr Legitimität zu verleihen, verbreitete der IS einen Videoclip, in dem darauf hingewiesen wird, dass Bagdad zu einem schiitischen Zentrum zu werden droht. Gleichzeitig setzte der IS seinen Guerillakrieg gegen die irakische Armee fort, auch in Regionen, die diese angeblich bereits vollständig kontrolliert und von gegnerischen Elementen gesäubert hat (Selbstmordanschläge, Überfälle auf Fahrzeugkolonnen, Raketenbeschuss).
  • In Libyen wurde gemeldet, dass der IS nach längeren Kämpfen von den Anhöhen rund um Derna vertrieben werden konnte. Falls sich die Berichte bewahrheiten sollten, wäre das ein bedeutender militärischer und moralischer Schlag für den IS und würde seine Position im Osten Libyens entsprechend schwächen. Derweil berichten (dem IS feindlich gesinnte) libysche Medien, die libysche Armee unter Khalifa Haftar bereite sich auf die Befreiung der Stadt Sirte aus der Hand des IS vor und der IS treffe Gegenmaßnahmen, um den erwarteten Angriff abzuwehren. 

 

Bemühungen zur Aufrechterhaltung des Waffenstillstandsabkommens in Syrien

  • Die schweren Gefechte, die sich die Regimetruppen und Rebellenorganisationen in letzter Zeit in und um Aleppo lieferten, haben in Syrien und auf internationaler Ebene den Eindruck erweckt, dass dem Waffenstillstandsabkommen, das bereits seit zehn Wochen in Teilen Syriens eingehalten wird, der Zusammenbruch droht. Angesichts der Eskalation in Aleppo wurden die Syrien-Gespräche in Genf ausgesetzt, was wiederum internationale Bemühungen, besonders von Russland und den USA, hervorrief, die Waffenruhe zu stabilisieren und möglicherweise auch auf die Region Aleppo auszuweiten. 
  • In diesem Rahmen wurde auch versucht, die lokalen Kämpfe im ländlichen Raum östlich von Damaskus (im östlichen Ghouta) und im Raum Latakia zu beenden, um eine Ausbreitung der Kämpfe auf andere Regionen zu vermeiden. Am 29. April 2016 vereinbarten die USA und Russland eine begrenzte Waffenruhe (72 Stunden) im ländlichen Raum östlich von Damaskus, die später um weitere 48 Stunden verlängert wurde (Sana, 2. Mai 2016). Die Bemühungen, auch in Aleppo eine lokale Waffenruhe zu erreichen, hatten bislang jedoch keinen Erfolg. Die dortigen Kämpfe dauern an.

Die Anti-IS-Kampagne unter amerikanischer Führung

Weitere Luftangriffe
  • Die von den USA geführte internationale Koalition setzte ihre Angriffe auf IS-Ziele im Irak und in Syrien fort. Im Verlaufe der vergangenen Woche führten die Luftwaffen von Mitgliedstaaten der Koalition Dutzende von Angriffen durch, vor allem auf IS-Ziele im Irak, und dort besonders in den Regionen Hit, Kisik, Mosul, Ramadi und Bagdad. In Syrien wurden Ziele in Ar-Raqqah und Marea (nördlich von Aleppo) angegriffen.
Stationierung von US-Soldaten in Nordsyrien
  • US-Präsident Barack Obama gab die Stationierung von 250 weiteren Soldaten in Nordsyrien bekannt (zusätzlich zu dem Kontingent von 50 Soldaten, die sich bereits in jener Region aufhalten). Das zusätzliche Truppenkontingent umfasst Spezialtruppen und Instrukteure, deren Aufgabe in erster Linie in der Rekrutierung sunnitischer Kämpfer und der Unterstützung ihres Kampfes gegen den IS besteht (CNN, 25. April 2016). Zwei Tage später meldeten arabische und syrische Medien die Ankunft von 150 Mann einer Sondereinheit in der nordostsyrischen Ortschaft Ramilan, die sich im kurdischen Herrschaftsbereich befindet (Al Jazeera; Sana, 28. April 2016).
Die Kampfstrategie der USA gegen den IS
  • Bei einer Anhörung im Streitkräfteausschuss des amerikanischen Senats machten der amerikanische Verteidigungsminister, Ashton Carter, und der Vorsitzende des Vereinigten Generalstabs der US-Streitkräfte, Joseph Dunford, Ausführungen zur amerikanischen Kampfstrategie gegen den IS. Dabei schloss der Verteidigungsminister zwei strategische Optionen aus: die Bekämpfung des IS mit amerikanischen Bodentruppen sowie der Aufbau einer bedeutenden internationalen Streitmacht zur Rückeroberung derzeit vom IS kontrollierter Territorien. Die USA bevorzugten die Unterstützung lokaler Kräfte und arbeiteten an deren Ausweitung. Hierzu bemerkte Carter, die USA führten das militärische Ausbildungsprogramm für syrische Kräfte, das außerhalb Syriens stattfinde, weiter. Das derzeitige Programm sei anders aufgebaut als jenes, das im letzten Jahr gescheitert sei, sagte der amerikanische Verteidigungsminister und bat die Ausschussmitglieder, sich dafür einzusetzen, dass dem Programm weitere Mittel zur Verfügung gestellt werden (Website des amerikanischen Außenministeriums, 28. April 2016).

Die amerikanische Strategie gegen den IS beruht also weiterhin auf Luftangriffen in Syrien und im Irak und der Unterstützung lokaler Kräfte durch Ausbildung und Waffenlieferungen bei gleichzeitigem Verzicht auf den Einsatz eigener Bodentruppen in bedeutendem UmfangIn Syrien erwiesen sich die Kurden bislang als effizienteste militärische Kraft, während die Versuche der USA, eine schlagkräftige sunnitische Streitmacht aus den Reihen der von ihr unterstützten Rebellenorganisationen aufzubauen, bislang nicht erfolgreich waren.

 

Das deutsche Kriegsengagement
  • Deutschland richtet offenbar eine separate Basis für seine Luftwaffe auf dem südtürkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik ein, der von Mitgliedern der Anti-IS-Koalition genutzt wird. Die Basis wird ein ständiges Truppenkontigent von rund vierhundert Soldaten, ein Luftkontrollzentrum sowie die Besatzungen von Tornado-Kampfflugzeugen beherbergen. Das neue Truppenkontingent wird die deutsche Militärpräsenz verstärken, die seit Dezember 2015 dort stationiert ist und sich mit Luftbetankungsaufgaben und Patrouillenflügen beschäftigt. Der Ausbau der Basis soll im Sommer 2017 abgeschlossen sein und 65 Millionen Euro kosten. (Hürriyet, 26. April 2016).

Das russische Engagement im syrischen Bürgerkrieg

  • Die russische Luftwaffe setzte ihre Angriffe gegen den IS und andere Rebellenorganisationen in Syrien fort. Unter anderem wurden Ziele in Aleppo und Umgebung, im Raum Damaskus und in Hama angegriffen. Laut dem Verantwortlichen für die Operationsplanung im Generalstab der russischen Streitkräfte, Sergej Rudskoj, hat das russische Militär seit Beginn der Kämpfe in Syrien über 29.000 Ziele von Rebellenorganisationen unschädlich gemacht, darunter mehr als 200 Erdölanlagen und über 2.000 Tanklastwagen (Tass, 27. April 2016).
  • Der russischen Botschafter bei den Vereinten Nationen, Vitali Tschurkin, sagte, Russland und der UN-Ausschuss für Terrorismusbekämpfung hätten beantragt, zwei Rebellenorganisationen, Ahrar Al-Sham und Dschaisch Al-Islam, in die Liste der Terrororganisationen[1] aufzunehmen. Der Schritt sei gestützt auf Berichte erfolgt, wonach diese Organisationen dem IS und der Al-Qaida nahestehen und den Waffenstillstand in Syrien ständig verletzten (Tass, 27. April 2016). Weitere Rebellenorganisationen zu Terrororganisationen zu erklären, könnte den Kreis der kämpfenden Kräfte in Syrien erweitern und die Chancen der Bewahrung der Waffenruhe schmälern.
  • Der Vizechef der nachrichtendienstlichen Abteilung des russischen Generalstabs, General Sergej Afensajev, kam an der fünften Konferenz für Nationale Sicherheit in Moskau auf den IS zu sprechen. Laut Schätzungen seiner Abteilung halten sich in Syrien und im Irak 33.000 IS-Aktivisten auf, 19.000 im Irak und rund 14.000 in Syrien. Sie hätten ein umfangreiches Waffenarsenal zur Verfügung, inklusive Panzer, andere gepanzerte Fahrzeuge, Panzerabwehrraketen und Luftabwehrraketensysteme (Russia Today, 27. April 2016). Afensayev sagte zudem, die Bedrohung Europas durch den Terror habe zugenommen, seitdem etwa 800 IS-Aktivisten in den letzten vier Jahren nach Deutschland zurückgekehrt seien. Laut Afensajev treiben zudem 4.500 IS-nahe Aktivisten in Zentralasien ihr Unwesen (Russia Today, 27. April 2016).

Die wichtigsten Entwicklungen in Syrien

Die Region Aleppo
  • In den vergangenen zwei Wochen eskalierten die Kämpfe in Aleppo und im ländlichen Raum nördlich der Stadt: Die syrische und die russische Luftwaffe griffen Ziele von Rebellenorganisationen an, und diese beschossen Stadtviertel unter der Kontrolle des syrischen Regimes mit Raketen und Mörsergranaten. Laut arabischen und westlichen Medienberichten starben dabei Hunderte von Zivilisten.[2] Zudem wurde die zivile Infrastruktur beschädigt, einschließlich Krankenhäuser.[3] Die Angriffe auf Aleppo wurden von den Medien als die schwersten seit Ausbruch des Bürgerkrieges in Syrien bezeichnet.

 

  • Das russische Außenministerium gab bekannt, dass das russische Konsulat in Aleppo von Aktivisten der Al-Nusra-Front und verbündeten Kräften angegriffen wurde. Demnach seien eine Bombe auf dem Gelände des Konsulats und drei weitere Bomben in unmittelbarer Nähe des Gebäudes explodiert. Über Opfer wurden keine Angaben gemacht (Sputnik, 29. April 2016). Der russische Außenminister, Sergej Lavrov, warf der Al-Nusra-Front vor, das Gebäude des russischen Konsulats in Aleppo mit Mörsergranaten angegriffen zu haben (Tass, 29. April 2016).
  • Die syrische Armee zog südöstlich von Aleppo einen Lastwagen aus dem Verkehr, der 3,5 Tonnen Ammoniumnitrat geladen hatte, das zur Herstellung von Sprengstoff genutzt wird. Die Ladung war für Aktivisten des IS oder der Al-Nusra-Front im Raum südöstlich von Aleppo bestimmt (Sana, 28. April 2016).
Gefechte zwischen dem IS und der türkischen Armee im türkisch-syrischen Grenzraum
  • Die Gefechte zwischen dem IS und der türkischen Armee im türkisch-syxrischen Grenzraum nördlich von Aleppo dauerten auch diese Woche an. Berichten zufolge verlegte der IS Kräfte aus Ostsyrien (Region Hasakah und Ar-Raqqah) in die Kampfzone nördlich von Aleppo. Der IS meldete, seine Aktivisten hätten einige Dörfer in Grenznähe unter ihre Kontrolle gebracht, darunter das Dorf Doudyan, das rund 18 Km südöstlich von Kilis entfernt liegt (Aamaq, 27. April 2016).
  • Bei den Gefechten zwischen dem IS und der türkischen Armee wurden von syrischen Gebiet aus Raketen auf die türkische Stadt Kilis abgefeuert[4], worauf die türkische Armee Stellungen und Kriegsgerät in Gebieten unter IS-Kontrolle unter Feuer nahm (Al-Durar Al-Shamiya, 1. Mai 2016). Bei diesen Angriffen kamen nach türkischen Angaben fünfzig IS-Aktivisten ums Leben (Sky News, 2. Mai 2016). Demgegenüber behauptete der IS, seine Aktivisten hätten drei Panzer der türkischen Armee vernichtet (Aamaq, 28. April 2016).
  • Weitere syrische Regionen, in denen es zu lokal begrenzten Kämpfen kam, an denen Aktivisten des IS und der Al-Nusra-Front beteiligt waren:
  • Das Flüchtlingslager Al-Yarmouk südlich von Damaskus: Die Kämpfe zwischen dem IS und der Al-Nusra-Front dauerten an. Der IS soll Meldungen zufolge derzeit den größten Teil des Flüchtlingslagers kontrollieren (Al-Ghad, 23. April 2016).
  • Der ländliche Raum östlich von Damaskus: Die Kämpfe zwischen einzelnen Rebellenorganisationen dauern an. Die Dschaisch Al-Islam soll Bewaffnete der Al-Nusra-Front belagern(Dimashq Al-Aan, 2. Mai 2016).
  • Der Al-Set Zaynab-Schrein südlich von Damaskus: Der IS verübte einen Selbstmordanschlag mit einer Autobombe auf eine Straßensperre des Militärs. Dabei sollen etwa zwanzig Menschen getötet und rund fünfzig verletzt worden sein (Khatwa; Aamaq, 25. April 2016).
  • Deir Ez-Zur: Die Kämpfe zwischen IS-Aktivisten und syrischen Armeeeinheiten im Umland des Luftwaffenstützpunkts dauerten an. Russische Transportflugzeuge warfen in den vom IS belagerten Stadtvierteln Nahrungsmittelpakete ab (Dimashq Al-Aan, 30. April 2016).
  • Palmyra: Das russische Verteidigungsministerium ließ verlauten, die syrische Armee habe beim Absuchen des Stadtgeländes nach Sprengsätzen ein großes Waffenlager des IS entdeckt, das Sprengsätze und Geschosse in großer Zahl enthalten habe, und dieses neutralisiert (Tass, 22. April 2016).
  • Die Leiche des russischen Offiziers, der bei den Kämpfen um Palmyra vom IS erschossen wurde, wurde den Russen im Rahmen eines Gefangenenaustauschs übergeben, der unter Vermittlung kurdischer Kräfte (YPG) ausgehandelt worden war. Gegen die Leiche des russischen Offiziers wurden zwei hochrangige IS-Aktivisten freigelassen (Syria Mubasher, 27. April 2016). Am 29. April 2016 hieß es von kurdischer Seite, man habe russischen Behördenvertretern in Syrien die Leiche des Offiziers übergeben (29. April 2016).

Die wichtigsten Entwicklungen im Irak

Bagdad
  • In letzter Zeit verstärkte der IS seine Terroraktivitäten gegen Ziele in Bagdad, vor allem gegen die schiitische Bevölkerungsgruppe und die irakische Staatsmacht. Die irakischen Sicherheitskräfte reagierten mit der Ausrufung des Notstandes (Al-Sumaria, 30. April 2016).

 

  • Nachfolgend eine Zusammenstellung der verheerendsten Terroranschläge, die der IS in Bagdad und im schiitischen Raum südlich der irakischen Hauptstadt verübt hat:
  • 25. April 2016 – Ein IS-Aktivist mit einem Sprenggürtel am Körper verübte einen Selbstmordanschlag im Zentrum von Bagdad.Der Anschlag richtete sich gegen einen Versammlungsort schiitischer Milizen, die das irakische Regime unterstützen. Laut IS wurden dabei Dutzende von Milizionären getötet oder verletzt (Aamaq, 25. April 2016).
  • 30. April 2016 – Bei einem Selbstmordanschlag im Osten der Stadt Bagdad kamen 63 Menschen ums Leben (BBC auf Arabisch, 30. April 2016; Al-Qurtas News, 1. Mai 2016). Der IS ließ verlauten, ein Selbstmordattentäter habe einen mit Sprengstoff beladenen und präparierten Lastwagen in eine Gruppe schiitischer Pilger gesteuert und zur Explosion gebracht. Dabei seien hundert Pilger getötet worden (Akhbar Dawlat Al-Islam, 1. Mai 2016).
  • 2. Mai 2016 – In Südbagdad explodierte eine Autobombe. Dabei kamen 14 Menschen ums Leben. Der IS bekannte sich zu dem Selbstmordanschlag. Laut IS wurden bei der Explosion vierzig Menschen getötet (Aamaq, 2. Mai 2016).
  • 1. Mai 2016 – Selbstmordattentäter brachten in der rund 250 Km südlich von Bagdad gelegenen schiitischen Stadt Samawa zwei Autobomben zur Explosion. Dabei wurden 38 Menschen getötet und 86 verletzt. Der IS bekannte sich zu den Anschlägen (Al-Sumaria; Akhbar Dawlat Al-Islam, 1. Mai 2016)
  • Am 2. Mai 2016 veröffentlichte die Provinz Bagdad des IS einen Videoclip, in dem davor gewarnt wird, dass Bagdad zu einer schiitisch geprägten Stadt werden könnte. Im Clip kommen Abu Mus’ab al-Zarqawi und einer der Selbstmordattentäter zu Wort. Ersterer sagt, Bagdad drohe zu einem schiitischen Zentrum zu verkommen, der andere kündigt seinen Selbstmordanschlag auf ein schiitisches Gebetshaus an. Der Clip könnte ein Versuch sein, die vor allem gegen schiitische Ziele gerichteten Anschläge des IS zu legitimieren.

 

IS-Guerillakrieg gegen die irakische Armee
  • Der IS setzt seinen Guerillakrieg auch in den Gebieten fort, welche die irakische Armee nach eigenen Angaben bereits zurückerobert und vollständig von feindlichen Elementen gesäubert hat. So bekannte er sich zu einem Selbstmordanschlag auf eine Polizeistationin der Stadt Hit. Dabei seien mehr als fünfzig Angehörige der irakischen Sicherheitskräfte getötet worden. Zudem griff der IS auf der Straße zwischen Haditha und Baiji eine Fahrzeugkolonne der irakischen Armee an und beschoss Armeestützpunkte entlang dieser Strecke mit Raketen. Laut IS wird nun beim Ölfeld Alas östlich von Tikrit gekämpft, das der IS zurückzuerobern versucht.

Ägypten und die Sinaihalbinsel

  • In der vergangenen Woche führten die ägyptischen Sicherheitskräfte ihre Aktivitäten gegen die Provinz Sinai des IS in den Regionen Sheikh Zuweid, El-Arish und Rafah fort. Dabei wurden Dutzende von Verdächtigen verhaftet, Autos und Motorräder beschlagnahmt und Waffenlager ausgehoben. Gleichzeitig dauerte auch der Guerillakrieg des IS gegen die ägyptischen Sicherheitskräfte an, vor allem in Form von Bombenanschlägen. Einige Sprengsätze konnten von den ägyptischen Sicherheitskräften entschärft werden. Der IS-Ableger auf der Sinaihalbinsel bekannte sich zu einer Reihe von Anschlägen, die er als „neue Welle von Anschlägen“ gegen die ägyptischen Sicherheitskräfte und ihre Helfer bezeichnete (IS-nahes Twitter-Konto, 28. April 2016).

Der globale Dschihad in weiteren Ländern

Libyen
Derna
  • Der Al-Qaida-nahe Shura-Rat der Dschihad-Kämpfer in Derna und Umgebung brachte am 20. April den Raum Derna und das bergige Umland der Stadt endgültig unter seine Kontrolle. Berichten zufolge zogen sich die verbliebenen IS-Aktivisten von den strategisch bedeutenden Al-Fatah-Anhöhen in die Wüste südlich von Derna zurück (Portal Al-Wasat, 20. April 2016; Twitter-Konto Al-Sabil des „Shura-Rates der Dschihad-Kämpfer von Derna“, 21. April 2016; Aamaq, 21. April 2016).
  • In der zweiten Junihälfte des Jahres 2015 gelang es Aktivisten des Shura-Rates und weiterer dem IS feindlich gesinnter Organisationen, die IS-Aktivisten aus der Stadt Derna zu vertreiben. Diese zogen sich dann mehrheitlich in die Al Fatah-Anhöhen zurück, welche Derna von Süden her umgeben und kontrollieren. Seither liefern sie sich einen hartnäckigen Kampf mit ihren Widersachern in Derna. Sollte es dem Shura-Rat nun tatsächlich gelungen sein, die IS-Aktivisten aus den Al-Fatah-Anhöhen zu vertreiben (wofür es noch keine Bestätigung gibt), wäre das ein militärischer und moralischer Schlag für den IS und würde seine Position im Osten Libyens empfindlich schwächen. Konkret würde dem IS dann der Verlust der Stadt Bengasi drohen, wo er derzeit von der libyschen Armee stark unter Druck gesetzt wird. Die meisten Viertel Bengasis stehen wieder unter der Kontrolle der libyschen Armee.

 

Sirte
  • Laut Berichten libyscher Medien (die dem IS feindlich gesinnt sind) bereitet sich die libysche Armee unter Khalifa Haftar auf die Befreiung der Stadt Sirte aus den Händen des IS vor. Der Sprecher der libyschen Armee teilte mit, an der „großen Schlacht um Sirte“ beteiligten sich Einheiten am Boden, in der Luft und zur See. Bodentruppen hätten bereits südlich der Stadt Ajdabiya Stellung bezogen und warteten auf den Einsatzbefehl (Akhbar Libya24, 23. und 28. April 2016; Al-Wasat-Portal, 26., 29., 30. April und 1. Mai 2016).
  • Denselben Berichten zufolge bereitet sich der IS auf den erwarteten Angriff der libyschen Armee vor, indem er seine Lager in Sirte räumt, Erdwälle aufschüttet und Minen um die Stadt herum legt. Zudem soll er ein Feldlazarett errichtet und die Gefangenen an einen unbekannten Ort verlegt haben. Abu Hamza der Senegalese, ein führender IS-Funktionär in Sirte, erklärte, der IS habe die Generalmobilmachung ausgerufen und man plane, „demnächst“ Selbstmordoperationen in den Ölhäfen östlich von Sirte und in verschiedenen Städten wie Misrata und Tripoli auszuführen (Akhbar Libya24, 23. und 28. April 2016; Portal Al-Wasat, 26., 29., 30. April 2016 und 1. Mai 2016).
Die karibischen Inseln
  • Ein Bericht, der unlängst vom BBC ausgestrahlt wurde, weist darauf hin, dass die karibischen Inseln sich zu einem fruchtbaren Terrain für die Rekrutierung von Freiwilligen für den IS entwickelt haben. Gemäß offiziellen Angaben kämpfen derzeit 89 Aktivisten aus Trinidad in den Reihen des IS. Gemessen an der Gesamtbevölkerung von 1,3 Millionen Einwohnern in jenem Staat, ist diese Zahl als relativ hoch einzustufen. Neulich veröffentlichte der IS einen Videoclip, in dem sich IS-Kämpfer in der Lokalsprache an die Einwohner Trinidads wandten. Trinidad hat eine muslimische Gemeinschaft, aber bei den IS-Kämpfern aus Trinidad handelt es sich vor allem um muslimische Konvertiten afrokaribischer Herkunft (BBC auf Arabisch, 1. Mai 2016).
Russland
  • Russische Medien berichteten, die russischen Sicherheitskräfte hätten bei der Stadt Samara an der Wolga eine illegal erbaute Moschee gesprengt, nachdem dort ein Sprengstofflager gefunden worden sei. In diesem Zusammenhang hätten die Behörden 53 salafistische Islamisten festgenommen, darunter auch einige IS-Aktivisten. Der Sprecher des russischen Inlandgeheimdienstes erklärte, die Verhaftung der Verdächtigen habe zur Verhaftung weiterer Verdächtiger geführt und den Ursprung der Waffen aufgedeckt. Die verhafteten Salafisten gehörten zudem einer Gemeinschaft an, deren Mitglieder in Syrien in den Reihen von Terrororganisationen kämpften (RT, 30. April 2016).

Das innenpolitische Verhalten des „Islamischen Staates“

Die Tötung des IS-Führungsmitglieds Abu Ali Al-Anbari
  • Ende März 2016 kam ein Führungsmitglied des IS bei einem Luftangriff in der Region Deir Ez-Zur ums Leben (Al-Ahed, 1. Mai 2016). Beim Getöteten handelt es sich um Abd Al-Rahman Mustafa Al-Qaduli alias Abu Ali Al-Anbari. Der IS bestätigte den Tod seines Führungsmitglieds nicht, räumte ihn aber indirekt ein: Die Anschläge, die der IS am 30. April 2016 waren dem „Scheich“ Abu Ali Al-Anbari gewidmet mit dem Zusatz, Allah möge ihn [als Märtyrer im Paradies] aufnehmen.
  • Abu Ali Al-Anbaristammte aus Mosul und war bei seinem Tod 60 Jahre alt. Er war Physiklehrer und verfasste einige religiöse Schriften. 1998 begab er sich nach Afghanistan, wo er mit Osama Bin Laden zusammentraf. Im Jahr 2000 kehrte er in den Irak zurück und schloss sich dort 2004 der Bewegung des Abu Mus’ab Al-Zarqawi an, aus der später der IS hervorging (Al-Bawaba, 1. Mai 2016). Im November 2015 wurde behauptet, er sei von Syrien aus in die libysche Stadt Sirte gereist, um den IS in Libyen zu etablieren. Im Dezember 2015 tauchten dann Berichte auf, er sei bei einem Luftangriff nahe der syrischen Grenze ums Leben gekommen, wobei sich später herausstellte, dass er nur verletzt wurde (securitymiddleeast.com, 21. Dezember 2015)

Die Liquidierung von Abu Ali Al-Anbari, der dem harten Kern des IS angehörte, schließt sich einer Reihe von Tötungen hochrangiger IS-Mitglieder durch russische und amerikanische Luftangriffe anDies könnte die militärischen Kapazitäten des IS und seine Funktionstüchtigkeit als politisches Wesen längerfristig schwächen, wenn auch unmittelbar kein Effekt zu erwarten ist.

 

Der Cyberkrieg
  • Eine Studie der Firma Flashpoint zu den Fähigkeiten des IS im Cyberbereich, deutet darauf hin, dass bislang mindestens fünf Gruppen für den IS separate Kampagnen im Cyberbereich durchgeführt haben. Am 4. April 2016 sei nun die Gründung eines „vereinigten Cyberkalifats“ erklärt worden, die sämtliche Cyberabteilungen des IS unter ein Dach bringen soll. Der Studie zufolge wurden bis anhin vor allem staatliche Stellen, Banken und Medien angegriffen, doch trotz großem Medienecho dieser Cyberattacken, erwiesen sie sich als wenig effektiv und wurden nur sporadisch durchgeführt (Website Flashpoint, 28. April 2016).

In letzter Zeit scheint das Cyberdispositiv des IS den Druck der internationalen Anti-IS Koalition unter Führung der USA zu spüren. In diesem Zusammenhang sagte der amerikanische Verteidigungsminister, Ashton Carter, in einer Anhörung des Streitkräfteausschusses des amerikanischen Senats, der Cyber Command der amerikanischen Streitkräfte spiele eine wichtige Rolle im Kampf der internationalen Koalition gegen den IS. Der Vorsitzende der Vereinigten Generalstabes der US-Streitkräfte, Joseph Dunford, bemerkte, es gehe darum, die Kommunikationskanäle des IS zu kappen und ihn auf virtueller Ebene zu isolieren (AFP, 28. April 2016).

 

Terrorvereitlung und -vorbeugung

Italien
  • Laut dem Mailänder Staatsanwalt, Maurizio Romanelli, verhaftete die italienische Polizei vier Personen marokkanischer Herkunft, die dem IS nahestünden. Dokumenten zufolge, die dem Gericht vorgelegt worden seien, hätten die Verdächtigen Terroranschläge in Rom, unter anderem auf die israelische Botschaft und den Vatikan, geplant. Zudem seien Haftbefehle gegen zwei weitere Verdächtige, ein Mann und eine Frau, ergangen, die Italien in Richtung Syrien verlassen hätten. Den Untersuchungsbehörden läge geheimdienstliche Information vor, wonach das Paar, das sich in Syrien aufhalte, einen der Verhafteten angewiesen habe, Anschläge auf die israelische Botschaft in Rom und den Vatikan zu verüben (Haaretz, 1. Mai 2016).
  • Derweil spricht der IS weitere Drohungen gegen Italien aus. In einem Videoclip der Provinz Niniveh des IS droht die Organisation erneut damit, Rom zu erobern, wobei er sich auf eine Verheißung des Propheten Mohammed beruft, wonach die Muslime dereinst Rom erobern werden. Der Sprecher im Clip sagt, der IS werde die Verheißung des Propheten in die Tat umsetzen und ruft die Muslime dazu auf, sich darauf einzustellen (Akhbar Dawlat Al-Islam, 30. April 2016).

[1]  Die Koordinationszentrale auf dem syrischen Luftwaffenstützpunkt Hmeymim berichtete, das Waffenstillstandsabnommen umfasse nun 72 als illegal erklärte Organisationen, wovon 52 bewaffnet seien (Tass, 25. April 2016).
[2]  Am 3. Mai 2016 wurde die Entbindungsklinik Al-Dabeet in Aleppo von einer Rakete getroffen. Dabei sollen 21 Menschen getötet und 32 verletzt worden sein (Al-Mayadeen, 3. Mai 2016). Die syrische Armee machte Rebellenorganisationen für den Angriff auf die Klinik verantwortlich (Sana, 3. Mai 2016). Der amerikanische Außenminister, John Kerry, verurteilte den Angriff und rief alle Parteien dazu auf, die Kampfhandlungen einzustellen, bevor die Lage außer Kontrolle gerate (Al-Arabiya, 3. Mai 2016).
[3]  Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte starben in Aleppo zwischen dem 22. und 28. April 2016 606 Menschen bei Angriffen der syrischen Armee auf Rebellenviertel sowie beim massiven Beschuss von Stadtteilen in der Hand des Regimes im Westen der Stadt durch die Rebellen (Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte, 29. April 2016). Berichten der New York Times zufolge starben in Aleppo in jüngster Zeit mindestens 202 Menschen, davon zwei Drittel in den von Rebellen gehaltenen Vierteln im Osten der Stadt und der Rest in den vom Regime kontrollierten Stadtteilen.
[4]  Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte schlugen seit Anfang 2016 rund  vierzig Raketen auf dem Gebiet von Kilis ein, die von Gebieten unter IS Kontrolle nahe der türkischen Grenze abgefeuert wurden. Dabei kamen mindestens siebzehn Stadtbewohner ums Leben (Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte, 26. April 2016).